In den 50er Jahren bekamen die Kinder zu Neujahr von ihren Paten eine Neujahrsbrezel. Die war aus süßem Hefeteig und etwa 30cm lang. Elke Valentin aus Fellingshausen ist eine geborene Steinmüller und erzählt, dass das Mehl noch vom Müller geliefert wurde und zwar vom Müller der Steinmühle, wo sich jetzt Tonis Eiscafé befindet. Welche Mehltype das war, weiß Elke nicht mehr, kann aber gut sein, dass es etwas dunkler war, also Type 550 oder 812. Heute backt kaum noch jemand Neujahrsbrezeln, aber in der Dünsberg-Bäckerei und bei Moos in Rodheim kann man sie bestellen.
Ein einfaches Rezept zum Selberbacken
500g Mehl, 1 Würfel Hefe, 1 Ei, 40g Butter, 80g Zucker, ca. 300ml Milch, Prise Salz.
Nachdem der Teig gegangen ist und verknetet wurde, formt man einen langen Strang daraus, der an den Enden dünner sein muss. Dieser Strang wird mit beiden Händen an beiden Enden festgehalten und in der Luft miteinander verschlungen. Nochmal 15 Min. gehen lassen und 25-30 Min. bei 175°C backen, kurz vor Ende mit verquirltem Eigelb bestreichen. Brezeln sind in Süddeutschland als Neujahrsgebäck sehr verbreitet.
Aus demselben Teig machten die Frankfurter den Stutzweck und die Mainzer die Neujahrsbopp*)
Aus dem gleichen Teig mit nur 200ml Milch, aber 2 Eiern und 80g Butter stellen Sie Silvesterkrapfen oder Berliner her. Dazu wird der Teig nach dem Gehen rund (Berliner) oder in Stern- und Herzform ausgestochen und geht noch mal zugedeckt 15 Min. Danach wird er bei 160 – 170°C 2 Min. frittiert, umgedreht, nochmal 2-3 Min. gebacken. Beim 1. Gang muss für die Berliner ein Deckel auf die Fritteuse gelegt werden, damit sie den weißen Rand bekommen.
Das Füllen macht man besser nach dem Backen mit einer langen spitzen Tülle.
Bei meiner Nachbarin Margret Lindemann fotografierte ich die „Röllchen“. Sie werden genauso gemacht wie die Eiserkuchen, bei deren Herstellung ich in meiner Kindheit zu Silvester geholfen habe. Der Teig und das Verfahren sind sehr lange bekannt. In meiner Heimat, dem Fläming in Brandenburg, kennt man sie als Klemmkuchen. Die hierfür benötigten Eisen wiegen um die 7 kg und werden vom Hausherrn übers offene Feuer gehalten. Teilweise gibt es in den Familien Klemmkuchen – Eisen aus dem 17. Jahrhundert mit schönen Mustern.
Ganz wichtig: Die Waffeln müssen noch heiß sofort gerollt werden, sonst brechen sie. Dafür sind sie monatelang haltbar, sofern die Naschkatzen der Familie nicht wissen, wo sie gelagert werden.
Hier folgt das Rezept von Frau Lindemann (an Sylvester dann 94 Jahre alt):
Für 30 Röllchen braucht man
1 Ei
90g Butter
100g Zucker
1/8 l Wasser
175g Mehl,
etwas Vanillezucker und Backpulver. die Zutaten werden zu einer weichen Masse verrührt, die 2 Stunden ruhen muss. anschließend backt man sie auf Stufe 2-3, bis sie braun sind. für die ganze Masse muss man 45 Minuten einkalkulieren.
Bei den Eiserkuchen, die ich kenne, wird der Zucker in Wasser aufgelöst und erkaltet zur übrigen Masse hinzu gerührt. Diese sollte sehr dünnflüssig sein und bis zum nächsten Teige quellen.
Krüllkuchen-oder-Neujahrskuchen
Bei meinem Schwiegervater, der aus Breslau/Wroclaw stammte, war Silvester ohne Mohnknödel undenkbar. Warum das bloß Knödel heißt? Es ist eher eine Schichtspeise, zu der man folgende Zutaten braucht:
50g Rosinen werden in 3 EL Rum für 4 Stunden getränkt. Von 4 trockenen Weißbrötchen reibt man die braune Kruste ab und schneidet sie in Scheiben.
300ml Milch und 100g Zucker werden aufgekocht und über 250g gemahlenen Mohn, gemischt mit den Rosinen und 50g gehackten Mandeln, gegossen, so dass ein Brei entsteht. 250ml Milch mit 50g Zucker gießt man über die Brötchenscheiben.
Anschließend schichtet man abwechselnd Mohnmasse und Brötchen in einer Glasschüssel übereinander, oben Mohn. Diese Speise soll mindestens 1 Tag im Kühlschrank stehen, wird aber täglich leckerer.
Und zum Schluss: In manchen Gegenden frittiert man zu Neujahr Spritzkuchen. Am bekanntesten sind die aus Eberswalde. Aber sie sind keine Erfindung der DDR. In Eberswalde gibt es sie seit fast 200 Jahren, andernorts noch länger. Eberswalder Spritzkuchen
*) Bereits am Nachmittag hatte in den Bäckerläden der Stadt das Neujahrswürfeln begonnen. Gespielt wurde um „Stutzweck“, speziell geformte Gebildbrote aus Hefeteig, die es bis heute zu Sylvester in Frankfurter Bäckereien zu kaufen gibt. Bis kurz vor 12 Uhr in der Neujahrsnacht rollten die Würfel über die Ladentheken der Bäckereien. Mancher zog mit einem Arm voller erbeuteter Stutzweck weiter in die nächste Apfelweinwirtschaft, um dort dem Neuen Jahr entgegen zu zechen. In allen Gaststätten herrschte Hochbetrieb, zumal der Punsch, das traditionelle Frankfurter Sylvestergetränk in der Stunde vor Mitternacht umsonst ausgeschenkt wurde.
Das gibt es heute noch in Hünfelden-Kirberg: Brezelwürfeln
Ein signifikanter Unterschied zwischen dem Frankfurter Stutzweck und der Mainzer Neujahrsbopp ist die Größe des Backwerks. Der Weck stellt nur eine Portion da (Weck = Brötchen), während die Bopp in Brotgröße gebacken und in Scheiben serviert wird.
Fotos, soweit nicht anders vermerkt: Eveline Renell