Der Spinat vom letzten Herbst ward von Mäusen abgefressen. Also gibt es nun stattdessen Giersch zu essen.
Und darüber sind wir nicht böse. Die Aktion Unkraut zupfen wird verbunden mit der Ernte von einem sehr leckeren Gemüse. Roh mag ich ihn nicht. Aber die folgenden Rezepte umso mehr.
Vorbereitung: Blätter ohne Stiele blanchieren, kalt abschrecken, fein schneiden;
mit gehackten Zwiebeln in Butter oder Olivenöl dünsten, etwas salzen, zudecken, 10-15 Minuten fertig garen. Als Zugabe zu Kartoffelbrei und Spiegelei wie der Spinatklassiker.
Eierpfannkuchen in kleiner Pfanne backen, mit der garen Gierschmasse bestreichen, halbieren, zusammenrollen, hochkant in eine flache Auflaufform stellen;
1 Becher saure Sahne, etwas Milch Salz und viel fein geschnittenem Schnittlauch verquirlen, oben – auf die Röllchen streichen, 15 Min. bei 180°C überbacken. Schmeckt ohne jede weitere Beilage.
Kleiner Tipp: In vielen Fällen ergibt das Blanchierwasser eine ganz leckere Suppe. Wo das nicht der Fall ist, kann man es verdünnt zum Blumendüngen verwenden.
Giersch heißt botanisch Aegopodium podagraria, auf Deutsch: Ziegenfuß, der gegen Podagra = Gicht hilft.
Die typischen Kräuter der Frankfurter Grünen Soße*) sind in alphabetischer Reihenfolge: Borretsch – Kerbel – Kresse – Petersilie – Pimpinelle – Sauerampfer – Schnittlauch. Dem entsprechend empfehle ich folgende Verwendung, wenn man mit Wildkräutern arbeitet:
Gurke– etwas Fenchelgrün – Behaartes Schaumkraut oder Barbarakresse (siehe Teil 1+2 von Unkräuter) –Gundelrebe – Pimpinelle – Sauerampfer – Schnittlauch. Der Borretsch ist eine Wärme liebende Pflanze und kommt bei uns nicht wild vor. Es gibt etliche Wildpflanzen, die zur selben Familie gehören, aber nicht alle schmecken. Außerdem enthalten die meisten von ihnen die für die Leber giftigen Pyrrolizidinalkaloide. Also Finger weg und lieber ein Stückchen fein geschnittene Gurke verwenden. Im eigenen Garten hat der Samenfenchel schon lange Blätter, die auch gut zu gedünstetem Fisch schmecken. Ansonsten nehmen Sie einen Teelöffel Ouzo.
Die Gundelrebe ist in humosen Gärten sehr häufig. Das zweite Foto zeigt die buntlaubige Form, die gerne im Vordergrund von Balkonkästen eingesetzt wird. Gundelreben sind absolut winterhart. Ein ehemaliger Kollege erzählte mir, dass sie während seiner russischen Gefangenschaft als Soldatenpetersilie bezeichnet wurde. Sie gehört zu den Lippenblütlern, unter denen viele Küchen- und Heilkräuter vorkommen. Pimpinelle (siehe Foto oben) liebt Roh- und Magerboden. Im Neubau-Garten verbessert sie die Bodensituation. In Biebertal kommt sie auf einigen Wiesen vor.
Der Sauerampfer verleiht der Soße einen erfrischenden Geschmack. Er gehört zur selben Pflanzenfamilie wie Rhabarber und sollte daher ab Juni gar nicht (bei Nierenerkrankungen) oder in kleinsten Mengen gegessen werden. Das gilt besonders für Kinder. Er ist auf den Wiesen ein Gülle-Anzeiger. Alternative: Frische Zitronenmelisse.
Er wächst überall in Biebertal vorzugsweise an Böschungen. Im Sommer sieht man zwischen trockenen Gräsern nur noch seine kleinen, harten lila Blütenstände. Der botanische Name bedeutet übersetzt Weinbergslauch. Alle Allium-Arten sind essbar, auch die Zierlauche in den Gärten. Es kommt nur darauf an, ob Sie das Aroma mögen.
Über die Frankfurter Grüne Soße:
Ob die Grüne Soße mit den Hugenotten im 17. oder mit italienischen Großhändlern im 18. Jahrhundert in die Kaiser- und Messestadt Frankfurt kam, spielt keine Rolle. Dass man sie früher stets erstmals im Jahr am Gründonnerstag verspeiste, ist dagegen erwiesen. Gründe: Die frischen Kräuter waren dann groß genug zur ersten Ernte und die Hühner legten wieder Eier. Die Fastenzeit ging zu Ende, es tat gut, dem Körper etwas Frisches und Anregendes zu verabreichen, damit die Lebensgeister in jeder Beziehung wieder aktiv wurden.
Wir müssen uns nicht eisern an die heutige Kräuterzusammenstellung der Frankfurter Grünen Soße mit regionaler Herkunftsbezeichnung halten. Aber mindestens 7 Kräuter sollten es dennoch sein. Je mehr, eine umso größere Vielfalt an Vitaminen, Mineralstoffen, Enzymen, ätherischen Ölen, Geschmacksstoffen und sonstigen sekundären Pflanzenstoffen führen wir unserem Körper zu. Verrührt in Dickmilch, Joghurt, Quark mit einem Löffel Mayonnaise oder Öl (für die Fettlöslichen Vitamine) und als Beilage Pellkartoffeln, die jeden Eiweißlieferanten auf eine höhere biologische Wertigkeit bringen, sind sie ein wahres Super Food.
Sonstige Wildkräuter für die Grüne Soße: Schafgarbe, Mädesüß, Knospen von Gänseblümchen, Veilchen, Lungenkraut, Löwenzahn Kranz um die geschälten, gekochten Eier, anstatt sie in die Soße zu schneiden.
Das erste Foto zeigt die Barbarakresse an einer Böschung gegenüber der Pumpstation an der L 3047 nach Krumbach. Sie ist in unserer Gemarkung gar nicht so selten, tarnt sich aber durch eine niedrige Rosette und unauffällige Blätter. Anders als die grün-gelb-weiße Gartenform, die sich wunderbar im Winter als Einfassungspflanze im Gemüse- oder Blumenbeet eignet. Wenn sie sich ausgesät hat, kann man schon nach dem 3. Laubblatt zwischen grün und bunt unterscheiden. Die Barbarakresse (nach der Schutzpatronin der Bergleute – in Tagebau-Geländen wächst sie häufig) heißt auch Winterkresse, weil sie den ganzen Winter zu beernten ist. Wie alle Kohlgewächse enthält sie antibiotisch wirkende Senföle. Die dunkelgrüne Farbe deutet auf viel Provitamin A, Vitamin C sowie Eisen und Magnesium. Die Blütezeit ist von Mitte April bis Anfang Juni, im April schön in Kombination mit hohen gelben bzw. lila Tulpen. Auf den Nektar reichen Scheibenblüten tummeln sich viele Insekten.
Verwendung: als Salatzutat, für Kräuterbutter oder Grüne Soße. Kurz in Butter oder Olivenöl gedünstet und mit einem Spritzer Balsamico-Essig versetzt ist es ein leckerer Brotbelag oder eine Beilage zu geschmortem Fleisch.
Als zweite Pflanze stelle ich Ihnen das Scharbockskraut vor, das von Rasen-Puristen sehr verdammt wird. Es blüht derzeit allerorten, wo der Boden frisch ist. Scharbock ist eine alte deutsche Bezeichnung für Skorbut. Nach den Vitaminarmen Wintermonaten früherer Jahrhunderte wurde alles gesammelt, was grün und essbar war. Aber bitte Vorsicht! Die Blätter sollten nur in kleinen Mengen und nur von noch nicht blühenden Pflanzen genutzt werden. Sie schmecken leicht scharf und zusammenziehend. Sobald ein bitterer Geschmack auftritt, bitte nicht mehr nutzen.
Problemlos ist dagegen die Knoblauchsrauke, auch sie ein Kreuzblütler bzw. Kohlgewächs. Entsprechend enthält sie Senföle. Wenn Sie Knoblauch als Geschmackszutat mögen, den aufdringlichen Geruch aber verabscheuen, liegen Sie mit der Knoblauchsrauke richtig. Ursprünglich kam sie nur in Laubwäldern vor, inzwischen ist sie weit verbreitet – in Nordamerika invasiv – und gilt als Stickstoffanzeiger. Sie wirkt antiseptisch, leicht harntreibend und schleimlösend. Man sagt ihr darüber hinaus auch antiasthmatische Eigenschaften nach. In der Volksmedizin wurden aus den Blättern Breiumschläge zur Behandlung von Insektenstichen und Wurmerkrankungen hergestellt. Verwendung nur für rohe Speisen, da sich ihre ätherischen Öle schnell verflüchtigen. In England wird sie als Sandwichzutat genutzt. Peppen Sie jetzt Ihren selbst hergestellten Burger damit auf.
Das oberste Foto zeigt das Behaarte Schaumkraut (Cardamine hirsuta, Brassicaceae). Es wurde seit etwa 1975 in ganz Europa verbreitet und wächst fast ganzjährig. Als Unkraut ist es leicht durch hacken zu entfernen. Solange es nicht blüht, hat es einen wunderbaren Kressegeschmack und kann genauso verwendet werden. Wer gerne bitter isst, kann die zarten Blättchen in kleinen Mengen auch während der Blüte verwenden. Ansonsten freuen wir uns über den feinen weißen Schleier auf dem Erdboden und daran, dass die winzigen Blütchen Nahrung für winzige Insekten liefern.
Man sollte nicht nur von Nudeln leben. Dem Salat tut es gut, wenn er ein bisschen aufgemotzt wird. In Italien kennt man „Misticanza“. Zum einen ist es ein gemischter Salat, zum anderen bereits eine fertige Samenmischung für den Garten. Darüber schreibe ich später. Mischen sie Ihren Salat mit vielen Kräutern, die sie bisher als Unkraut entfernt haben, deren kulinarischen Wert Sie vielleicht gar nicht kennen. Ich werde nach und nach essbare Kräuter vorstellen, die vermutlich auch in Ihrem Garten vorkommen. Wer keinen Garten besitzt, findet viele davon auf dem Spaziergang.
Im zweiten Foto sehen SieWinterpostelein (Montia oder Claytonia perfoliata, Montiaceae). Es wird im Herbst als Saatgut angeboten, wandert aber oft von selbst in die Gärten ein. Winterpostelein kann im Winter mehrfach geschnitten werden und ist sehr frosthart. Geschmacklich ist er etwas fade, kann aber dennoch wie Feldsalat oder auch gegart wie Spinat zubereitet werden. Legen Sie eine blühende Pflanze genau an die Stelle, wo Sie im kommenden Winter ernten möchten.
Im dritten Foto gibt’s einen alten Bekannten, denFeldsalat. Er sät sich selber aus, wo es ihm zusagt: Das ist warmer, leicht kalkhaltiger Boden. Beides kann Fellingshausen bieten; und so habe ich in der Gemarkung bisher vier verschiedene Formen gefunden. Die stehen inzwischen alle „irgendwo“ in meinem Garten, weil sie sich selber aussäen. Geerntet wird dann im Frühling. Feldsalat ist bei Kindern sehr beliebt, weil er nicht bitter ist. Mein Mann ist nach einer großen Portion einmal prompt eingeschlafen. Ob das daran liegt, dass Feldsalat mit dem Baldrian verwandt ist? Zumindest werden Wurzeln und teilweise auch seine Blätter als nervenstärkendes Mittel pharmazeutisch genutzt.
Inhaltsstoffe:Ernährungsphysiologisch ist Feldsalat ein besonders wertvolles Gemüse. Von allen Salatarten weist er den höchsten Vitamingehalt auf, insbesondere an Folsäure, Vitamin B6, Vitamin C und Provitamin A. Erwähnenswert sind außerdem der hohe Kaliumgehalt und der Gehalt an Eisen und Zink. Neben der Petersilie ist er einer der bedeutendsten Eisenlieferanten unter den Gemüsearten. Feldsalat enthält weiterhin reichlich ß-Carotin und Lutein.